Veröffentlichungen: Aufsätze

Fünf befinden sich auf dem alten Friedhof

Die Weilburger Kranzkästen sollten die Erinnerung an die Verstorbenen wach halten

Von Helga Reucker

Schon seit langem pflegte man Erinnerungsbilder, die im Zusammenhang mit den verschiedenen Stationen des Lebens entstanden. Geburt, Hochzeit und Tod waren die besonderen Meilensteine. Unter Ihnen besitzt das Totenangedenken die längste Tradition, die mit der Denkmalsetzung am Grab begann.

Als im Zuge der Reformation und dem Wachsen der Städte eine Verlegung der Friedhöfe an die Peripherie der Ansiedlungen einherging, traten die sogenannten Epitaphien in Erscheinung. Es handelte sich dabei um fast ausschließlich steinerne Bildwerke, die mit einer Inschrift versehen das Gedächtnis an den Verstorbenen wach halten sollten.

Man stellte sie in den Kirchen auf, einmal als Ersatzdenkmäler für die weit entfernt liegenden Friedhöfe, zum anderen waren es vor allem Totengedächtnisse für den Adel, nachdem dieser sein Privileg der Kirchenbestattung verloren hatte.

Kalvarienberg

Eine besondere Form des Totengedenkens waren die "Kranzkästen", von denen auf dem alten Friedhof in Weilburg unter dem Baldachin der Kreuzigungsgruppe auf dem Kalvarienberg fünf Stück zu sehen sind. Nachdem man sie bei Dachdeckerarbeiten in der Heiliggrabkapelle fand, wurden sie nach einer gründlichen Restaurierung dort aufgestellt. Diese Kranzkästen fanden sowohl im Kirchenraum als auch im Haus Verwendung, und es ist hier in Weilburg wie auch an vielen anderen Orten nicht möglich, den ersten Platz ihrer Aufstellung nachzuweisen. Die Kranzkästen, zuweilen auch "Totengedächtnisschreine" genannt, waren manchmal bis zu zehn Zentimeter tief und enthielten neben einem Kranz oder einem in Herzform gestalteten Blütenarrangement Bänder, Schleifen oder später auch Epitaphe aus Papier.

Ursprünglich bargen sie - schon früh verglast - die im Leichenbegräbnis verwendeten Totenkronen. Etwa Mitte des 19. Jahrhunderts vollzog sich der Wandel der Kranzkästen vom kirchlichen zum gängigen häuslichen Zimmerdenkmal. Gleichzeitig verschwand bei den in ihnen verwahrten floralen Gebilden die Kranzform, und die teils getrockneten, teils aus Kunstblumen bestehenden Inhalte dürften oft Nachahmungen der beim Begräbnis verwendeten Blumen gewesen sein. Die Weilburger Kästen sind dafür ein gutes Beispiel. Im Rahmen des häuslichen Wandschmuckes verbanden sich die Kranzkästen zum Totengedenken mit anderen Zeugnissen biographischer Erinnerungen wie Tauf- und Konfirmationssprüchen oder Hochzeitsandenken zu einer Einheit, um die Familienzusammengehörigkeit auch über den Tod hinaus zu dokumentieren. Nicht lange währte die Blütezeit der Kranzkästen, denn bereits nach dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts sind sie nicht mehr anzutreffen.

Totenkronen

Besonders interessant ist, dass die Kränze neben den Totenkronen vorwiegend bei dem Ledigenbegräbnis eine Rolle spielten. Kranz und Krone sind in ihrer Symbolwertigkeit auswechselbar, sie meinen das Gleiche, und ihre unterschiedliche Anwendung im Totenkult hat meist nur äußere Gründe zum Anlass. Bereits in der Antike wurde ein Brautkranz der unvermählt Verstorbenen beigegeben. Später erfuhr die Totenkrone besonders im Zeitalter des Barock verstärkte Bedeutung.

Inschriften

Dass es sich auch bei den Weilburger Personen, zu deren Andenken die Kranzkästen angefertigt wurden, um Ledige handelte, geht aus den Kirchenbucheintragungen hervor. Ich fand folgende Informationen:

Kasteninschrift:

18 August Dörr 22, Kirchenbucheintrag: Dörr, Heinrich August, geb. 13. Dez. 1802 zu Weilburg, ev. Färber, gest. 20. Nov. 1822, 2 Uhr nachmittags. Eltern: Carl Christian Dörr, Bürger und Müller zu Weilburg und Ehefrau Anna Margarethe, geb. Nickel.

Kasteninschrift:

Dem Andencken der Johannette Caroline Moser von ihren Freundinnen gewidmet, am 19. Sept. 1827. Kirchenbucheintrag: Moser, Johannette Caroline Christiane, geb. 1. Febr. 1812 zu Weilburg, ev., gest. 19. Sept. 1827, nachmittags 4 Uhr. EItern: Johann Martin Moser, Bürger und Färbermeister zu Weilburg und Ehefrau Johannette Caroline, geb. Pabst.

Kasteninschrift:

Zum Andenken für Caroline Emestine Hauch, 1835. Kirchenbucheintrag: Hauch, Ernestine Caroline, geb. 30. Mai 1831 in Weilburg, gest. 17. April 1835, abends 11 Uhr. Eltern: Johann Georg Christian Hauch, Bürger und Schuhmachermeister und Ehefrau Christiane Johannette Henriette, geb. Fussinger.

Kasteninschrift:

Andenken der Christiane Helwig gewitmet von ihren Freundinnen im Jahr 1832. Kirchenbucheintrag: Helbig, Johanna Christiane Barbara, geb. 9. Nov. 1811, gest. 27. Juni 1832, acht Uhr abends. Eltern: Adam Helbig, Bürger und Wirth zu Weilburg und Ehefrau Maria Catharina, geb. Weinrich.

Außerdem befinden sich im Weilburger Bergbau- und Stadtmuseum weitere vier Kranzkästen mit folgenden Inschriften:

Kasteninschrift:

Zum Andenken von Frau Metzler für ihre Enkelin
1) Lisette Metzler, im November 1828.
2) Andenken den Geschwistern Luise und Wilhelm Metzler.
3) Denkmahl de Fräulein von Löw, geboren den 11 den September 1830, gestorben den 27 den September 1832. Kirchenbucheintrag: Löw von und zu Steinfurt, Auguste Louise Friederike Wilhelmine Marie, geboren den 11. Sept. zw. 9 und 10 Uhr abends. Vater: der herzogliche Forstmeister der Freiherr Carl Friedrich Gustav Heinrich Löw von und zu Steinfurt, zu Weilburg, geboren zu Caßel im Churfürstenthum Sachsen, evangelisch christlicher Konfession. Mutter: Freifrau Thekla Wilhelmine Mariane Charlotte des Nebenbenannten Gemahlin, Tochter des Herrn Grafen und Obersten Hilmar Ludwig Wilhelm Ernst von Oberg zu Suttenstadt b. Braunschweig starb den 27. September 1832.

In dem vierten Kasten befindet sich keine Schrift.

Quelle: "Weilburger Tageblatt" v. 21.11.1999

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